Trostlose Stätten

Für einmal drängt es mich, über etwas zu schreiben, das nichts mit den üblichen Themen dieses Blogs zu tun hat, aber vielleicht ein gutes Sujet für einen Roman abgeben würde: Autobahnraststätten.

Der Name suggeriert einen Platz, an dem man gerne verweilt. In Wirklichkeit gibt es (zumindest in meiner Vorstellung) kaum weniger einladende Orte als diese trostlosen Asphaltflecken mit ihren verdorrten Wiesenbändern, uniformen Einkaufsläden, Billig-Restaurants und Selbst-Zapfsäulen, an denen täglich Hunderte anhalten, austreten, einkaufen, essen, ohne viel mehr als einen müden Blick, ein gleichgültiges Wort miteinander zu wechseln.

Abgesehen von ökologischen Erwägungen wären Raststätten – zusammen mit verstopften Innenstädten und Ferienstaus – meines Erachtens der beste Grund, aufs Auto zu verzichten. Blöd nur, dass sich diese Ansicht partout nicht durchsetzen will. Offensichtlich schätzen wir Menschen unseren fahrbaren Untersatz so sehr, dass uns nicht einmal die Tristesse dieser Un-Orte davon abhält, mit brummendem Motor in die Ferne zu schweifen.

Oder gibt es vielleicht sogar Menschen, die Raststätten mögen? Schliesslich scheint es auch Leute zu geben, die Sonntagsverkäufe in überquellenden Einkaufszentren mögen, was ähnlich heftige kulturpessimistische Attacken in mir auslöst wie der Besuch von Autobahnraststätten.

Der Kulturpessimismus war allerdings noch nie ein guter Ratgeber, wenn es um das Verständnis der Gegenwart ging. Das implizite „Früher war alles besser“, welches kulturpessimistischen Positionen inhärent ist, bekommt fast zwangsläufig einen schalen Beigeschmack, sobald man länger über den betreffenden Sachverhalt nachdenkt. – Ging es in der flohverseuchten Herberge am Wegesrand anno dazumal wirklich „kultivierter“ zu als auf den Autobahnraststätten heute? Hatten die Reisenden an den Postkutschen-Stationen von einst tatsächlich so viel Anderes im Sinn, als ihre basalen Bedürfnisse zu befriedigen und die Pferde zu wechseln bzw. deren „Batterien“ wieder aufzuladen?

Natürlich reisten in früheren Zeiten weniger Leute, weniger oft und weniger weit. Die Blechlawine war noch nicht erfunden, der Klimawandel noch nicht menschengemacht. Das lag jedoch mitnichten daran, dass unsere Vorfahren dem Herumfahren generell abholder gewesen wären oder insgesamt ein ökologischeres Bewusstsein besessen hätten als wir; die grosse Mehrheit konnte sich das Reisen schlicht und ergreifend nicht leisten.

Die Geschichte zeigt: Sobald der Mensch zu Wohlstand kommt, fängt er an zu reisen, und das aktuelle Reisemittel Nr. 1 ist halt das Automobil. Man kann nun der Ansicht sein, die Menschen müssten wieder ärmer werden, damit weniger gereist und ergo auch weniger Auto gefahren wird, aber diese Vision ist mir dann doch noch deutlich unsympathischer als der Anblick von Autobahnraststätten.

Darum will ich diesen Text nicht mit einer Tirade gegen Raststätten beenden, sondern mir vielmehr zu vergegenwärtigen versuchen, was sie für manche Menschen eben auch sein können: Orte der Vorfreude auf den wohl verdienten Urlaub oder auf einen gemütlichen Abend daheim; Orte für eine kurze Pause, um dem*der Liebsten das baldige Kommen anzukündigen oder noch rasch einen Strauss Blumen für die alte Mutter zu besorgen; Orte, an denen die Kinder endlich mal Pommes mit Ketchup kriegen statt biodynamische Hausmannskost.

Ich habe mir an der Raststätte, die mich zu diesem Beitrag inspiriert hat, übrigens eine Packung „Golden Oreos“ gekauft. Und die habe ich echt noch nirgendwo sonst gesehen.

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